Darkcoin gehört aus meiner Sicht zu den interessantesten Projekten in der Altcoin-Szene. Bislang ist wenig auf Deutsch über Darkcoin zu finden, weswegen ich Vertoe, ein deutsches Mitglied des Darkcoin-Entwicklerteams zu einem Interview gebeten habe:
Fabio Bossi:
Danke Vertoe, dass Du Dir
die Zeit nimmst. Magst Du Dich kurz vorstellen?
Vertoe:
Hi, Ich bin Vertoe,
komme aus Berlin und bin zurzeit Entwickler für Darkcoin. Ich
begleite die
Darkcoin-Community
seit Februar 2014. Davor habe ich mein Geld mit Litecoin-Mining und
Protoshares-Bounties verdient, eine glorreiche Zeit. Aber erst mit
Darkcoin habe ich ein Zuhause gefunden.
Fabio Bossi:
Was bedeutet Entwickler
genauer, also woran arbeitest Du und wie ist die Kooperation mit
Evan
Duffield, dem Erfinder von Darkcoin organisiert?
Vertoe:
Ich gehöre zum
sogenannten Core-Entwickler-Team. Darkcoin Core ist die
Referenz-Implementierung des Darkcoin-Protokolls, also die
Standard-Brieftasche für Transaktionen und Geldaufbewahrung. Sie
ermöglicht es, anonym und schnell Geld rund um die Welt zu schicken.
Evan Duffield ist Hauptentwickler und Mastermind hinter Darkcoin.
Während er Technologien wie Masternodes, Darksend und
InstantX entwickelt, bin ich eher für Wartungsarbeiten
zuständig. Also ich habe zum Beispiel gerade die neusten Standards
der Bitcoin-Etnwicklung in die Software integriert und arbeite
zurzeit an der Übersetzung der Oberfläche in alle möglichen
Sprachen, unter anderem auch Deutsch und Bayrisch.
Fabio Bossi:
Magst Du kurz die zwei
Innovationen
Darksend
und
InstantX
beschreiben? Es gibt für
Bitcoin ja schon
Anonymisierungsdienste, sogenannte
Mixer
oder Tumbler. Und wieso ausgerechnet Bayerisch?
Vertoe:
Ich stelle nur die
Infrastruktur zur Verfügung und kümmere mich um die technische
Integration der Übersetzungen. Die eigentliche Arbeit mit den
Sprachen machen Freiwillige aus der Community. So hat unter anderem
der Nutzer
Droptable sich einen Spaß erlaubt und Bayerisch auf
unserem Übersetzungsportal beantragt. Ich habe das bewilligt und
inzwischen hat er schon 75% der Oberfläche übersetzt. Jeder kann
also seine eigene Sprache beantragen und unter
www.transifex.com
selbst Übersetzungen beitragen. Ab einen bestimmten Schwellenwert
werden diese dann in die Software eingepflegt.
Der Unterschied zu den
Bitcoin-Diensten ist generell, dass dies zentralisierte Anbieter
sind, denen man gewissermaßen Vertrauen muss. Und darüber hinaus
haben sie Schwachstellen, die die Deanonymisierung der Transaktionen
trivial macht, indem man einfach auf der Blockchain die Zeitstempel,
Eingänge und Ausgänge vergleicht. Darkcoin hat mit Darksend diese
Probleme behoben, da es zum einen ein dezentrales System ist, bei dem
man keinem Anbieter trauen muss. Zum anderen wurde das System des
Vermischens der Coins perfektioniert. Dies passiert nun nicht mehr
beim Versenden der Coins sondern schon zuvor, während man die
Brieftasche offen hat. Somit ist es absolut nicht möglich
rauszufinden, wer wann mit wem Coins gemixt hat und woher diese
ursprünglich stammten. Es gab diesbezüglich auch schon einige
Untersuchungen, die dies vergeblich versucht haben.
Die neuste Innovation ist
InstantX, was frei übersetzt für Sofortüberweisung steht.
Dabei ist es möglich nahezu kostenfrei, in nur wenigen Sekunden
Transaktionen um den Globus zu schicken. Nutzer berichten, dass es in
etwa 3-7 Sekunden dauert, bis eine Transaktion 5mal bestätigt ist.
Zum Vergleich: Bitcoin benötigt 10 Minuten für eine Bestätigung.
Die schnelle Bestätigung kommt von 20 zufällig gewählten
Masternodes und wird in einer zweiten Stufe von den Minern endgültig
in der Blockchain bestätigt. Eine erfolgreiche InstantX-Transaktion
wird im Netzwerk wie 5 Bestätigungen behandelt. Wenn ich zum
Beispiel Darkcoins zu einer Tauschbörse schicken will, und die
Tauschbörse mir die Coins nach 6 Bestätigungen meinem Konto gut
schreibt, dann nutze ich am besten InstantX. Das dauert dann knapp 10
Sekunden für die ersten 5 Bestätigungen und nochmal 1-2 Minuten für
den nächsten Block. Somit habe ich nach nur 2 Minuten schon meine
Coins auf der Tauschbörse voll verfügbar und muss nicht die vollen
6 Blöcke der Miner darauf warten.
Fabio Bossi:
Darkcoin war der erste
Altcoin, der eine überlegene Anonymisierungsmethode versprochen hat.
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Konkurrenten mit
unterschiedlichsten Ansätzen, etwa
Monero
oder
Shadowcoin,
und auch in der Bitcoin-Szene wird an Lösungen gearbeitet, etwa
durch
Amir Taaki
und sein
Dark Wallet Projekt.
Wie schätzt Du die Situation ein?
Vertoe:
Amir Taaki ist ein
Genie. Leider ist es mir ein Rätsel, warum er ein Addon für den
Google-Browser schreibt, wenn es doch um Anonymisierung geht. Ich
würde ihn gerne für unsere Sache gewinnen, aber verstehe natürlich,
dass viele Leute nicht an sogenannte Altcoins glauben und daher
Lösungen für Bitcoin suchen.
Was die anderen Coins
angeht habe ich in den letzten zwölf Monaten so viele Coins kommen
und gehen sehen, die versucht haben Darkcoin nachzuahmen, dass ich
eigentlich keine mehr ernst nehmen kann. Tatsächlich sind auch bis
Anfang 2015 alle von der Bildfläche verschwunden bis auf Monero.
Monero ist technisch interessant, weil die Entwicklung
versucht neue Wege einzuschlagen und sich mehr von Bitcoin zu lösen,
was ich sehr befürworte. Allerdings wird man als Darkcoin-Entwickler
und -Unterstützer derart von der Monero-Community angefeindet, dass
ich Monero nur noch unterstellen kann, dass es ihnen gar nicht darum
geht, technologischen Fortschritt parallel zu konkurierenden Lösungen
zu entwickeln, sondern lediglich ein spekulatives Interesse an den
Märkten besteht und sie ihr Produkt verkaufen wollen. Schade
eigentlich, dass es immer um Geld gehen muss.
Fabio Bossi:
Darkcoin erlaubt ja, wie
Du schön beschrieben hast, über die Funktion Darksend eine
Anonymisierung der Zahlungsvorgänge, während bei Bitcoin nur von
einer Pseudonymisierung gesprochen wird, da alle Transaktionen offen
in der Blockchain einsehbar sind und theoretisch wie praktisch (
siehe
Ross Ulbricht im Silk Road Fall) eine Verbindung zwischen einer
realen Personen und einer Bitcoin-Adresse hergestellt werden kann.
Schon der Name "Darkcoin", der auch in der Community nicht
unumstritten ist, suggeriert ja, dass es die digitale Währung für
Dark Markets sein soll. Andererseits betont auch
Evan, dass dem nicht
so sei. Wie ist Deine Sicht auf diese Kontroverse?
Vertoe:
Ich finde die Namenswahl
auch eher unglücklich und wir haben die sowohl im Team als auch in
der Community ausführlich diskutiert. Fakt ist, dass Darkcoin
inzwischen schon eine Marke ist und wir daher den Namen nicht mehr
ändern werden. Wer sich noch erinnert, Darkcoin ist ja im Januar
2014 ursprünglich unter dem Namen XCoin gestartet und wurde dann
umbenannt, um in Einklang mit Darksend zu stehen.
Was die Dark Markets
angeht, sehe ich das entspannt. Es wird vieles etwas überspitzt in
einigen Medien dargestellt. Natürlich waren (und sind) im Dark Web
Dinge möglich, die unschön sind und daher gerne hervorgehoben
werden, um dies als Gesamtes zu diskreditieren, so zum Beispiel
Waffenhandel oder das Buchen von Auftragskillern. Manches ist aber
auch absurd, so wird vor allem in den USA Bitcoin (aber auch
Darkcoin) vorgeworfen, Terroristen - wie zum Beispiel dem Islamischen
Staat - die Finanzierung zu erleichtern. Das ist natürlich absoluter
Blödsinn. Wer schonmal versucht hat sich mit Bitcoin ein Haus zu
bauen, der weiß wie schwierig es ist große Mengen an Coins in Fiat
einzutauschen. Und würde der IS seine 1-2 Millionen USD Einnahmen
täglich in Bitcoin oder Darkcoin "verschwinden" lassen,
dann würde man das an den Kursen deutlich spüren.
Kurzum, ich habe da eine
andere Sicht als
Evan Duffield, der Darkcoin als Mainstream-Projekt
betrachtet, während ich klar die Ausrichtung auf das
Deep Web
unterstütze. Nicht umsonst haben wir volle
TOR-Unterstützung
im Client und erwägen zurzeit auch eine
I2P-Integration.
Fabio Bossi:
"Mißtraue
Autoritäten - fördere Dezentralisierung." ist ein schönes
Stichwort. Bitcoin ist als Projekt gestartet, dass jedem erlauben
sollte mit seinem Heimrechner das Netzwerk zu unterstützen.
Inzwischen ist das nicht mehr möglich und es wurde Alternativen wie
Proof-of-Stake entwickelt, aber auch spezielle Algorithmen wie
Darkcoins X11, der resistent gegen
ASICs
sein soll, also teure Spezialchips, die nichts anderes machen können
als den jeweiligen Coin zu minen. Was ist der aktuelle Stand der
Diskussion zu diesem Thema und wäre es z.B. denkbar, dass Darkcoin
einmal auf
Proof-of-Stake(PoS) wechselt oder könnten die Masternodes in Zukunft auch die
Rolle der Miner übernehmen?
Vertoe:
Zunächst ist auch X11
nicht resistent gegen Spezialhardware. Jeder, der genug Geld hat,
kann sowas bauen oder bauen lassen. Ich rechne mit X11-ASICs im Laufe
diesen Jahres, vermute aber, dass diese nicht öffentlich zur
Verfügung stehen werden, der Trend geht in Richtung Cloud Mining
oder Private Farms. Ich sehe ASICs nicht als Problem, im Gegenteil,
es handelt sich dabei um Spezialhardware, die das Netzwerk sichert.
Dass diese einer Dezentralisierung des Netzwerkes entgegenwirken sehe
ich nicht. Und selbst wenn dem so wäre, ein gewisser Anteil der
Mining-Erträge in Darkcoin wird ja an die Betreiber von Masternodes
ausgezahlt, somit würde diese Hardware auch für andere Leute im
Netzwerk arbeiten, gute Sache. Einen Wechsel auf Proof-of-Stake halte
ich nicht für notwendig. Zumal das auch keine Dezentralisierung
fördert. PoS bevorzugt auch nur die Reichen im Netz, denn wer mehr
hat, findet leichter Blöcke und bekommt höhere Auszahlungen. Nein
Danke. Masternodes bezeichnen wir gerne als Proof-of-Service-System.
Dies ist ein dezentrales Netzwerk spezieller dedizierter
Peer-to-Peer-Knoten innerhalb des Netzwerkes, das die Transaktionen
für Darksend vorbereitet und neuerdings auch die
InstantX-Transaktionen verifiziert.
Fabio Bossi:
Das heisst es ist auch
nicht geplant X11 anzupassen, um resistent zu bleiben?
Vertoe:
Nein. Andere Coins wie
Vertcoin haben das versucht und
sind inzwischen in der Bedeutungslosigkeit abgetaucht. Ich sehe da
keine Notwendigkeit. Und mal ehrlich, ein High-End Bitcoin-ASIC
kostet zur Zeit um die 400-800 Euro. Die Zeiten, in denen man da
20.000 Euro hinblättern musste, sind eh vorbei. Daher ist die
Verteilung dieser Geräte inzwischen um einiges gerechter geworden.
Fabio Bossi:
Derzeit gehen 35% der neu
generierten Coins an die Masternode-Betreiber und dieser Prozentsatz
soll weiter steigen. Besteht da nicht die Gefahr, dass Mining zu
wenig profitabel sein wird? Darkcoin wird immer Miner benötigen oder
können sie in Zukunft komplett durch die Masternodes ersetzt werden?
Vertoe:
Darkcoin wird immer Miner
benötigen, und wenn es nicht mehr profitabel ist, werden einige
abschalten, klar. Aber Haupttreiber für die Profitabilität ist hier
nicht die Zahlung an die Masternodes sondern eher der Wert der
einzelnen Coins. Und solange Darkcoin jenseits der €1-Marke ist,
werden die Leute alles tun, um neue Coins zu generieren, sei es mit
Masternodes oder durch Mining. Es wird sich da immer einpendeln,
jenachdem, was profitabler sein wird.
Fabio Bossi:
Was ist die
Obergrenze für die Masternode Beteiligung?
Vertoe:
Es gibt eine
Obergrenze, die liegt bei 60% und wird erst Mitte 2016 erreicht sein.
Das Ziel ist es möglichst viele Nutzer zu motivieren Masternodes zu
betreiben. Denn um so mehr Knoten im Netz vorhanden sind, um so
schwerer ist es, dies anzugreifen.
Fabio Bossi:
Für den Betrieb einer
Masternode benötigt man 1000 DRK und ein nicht unerhebliches
technisches Know-How. Ist geplant diese 1000 DRK-Grenze abzusenken
und den Betrieb einer Masternode für Endverbraucher zu erleichtern?
Die Verbreitung von Cryptocurrencies krankt ja generell daran, dass
es für viele nicht so versierte Nutzer zu schwierig erscheint. Bei
Darkcoin muss man z.B. noch ständig den Update-Verlauf verfolgen und
seinen Client immer wieder updaten.
Vertoe:
Die 1000 DRK sind
eine Schutzvorrichtung, damit nicht beliebig viele Knoten erstellt
werden können, was eine Schwachstelle auftun würde. Das mit dem
technischen Anforderungen stimmt, allerdings muss man seine
Masternode nicht selber hosten, wenn man sich das nicht zutraut.
Es gibt da inwzischen viele Anbieter, die einem das Technische abnehmen
und man selber kein Risiko eingeht, da man die Coins lokal halten
kann, um eine Node zu starten.
Sollte Darkcoin mal
extrem im Wert steigen, kann das sicher diskutiert werden, ob man den
Schwellwert senkt, aber ich denke nicht, dass das zurzeit nötig ist.
Fabio Bossi:
Welche möglichen
zusätzlichen Anwendungen für die Masternodes siehst Du für die
Zukunft? In der Community wird z.B. gelegentlich davon geredet, dass
man eine Art TOR-Netzwerk damit betreiben könnte. Ist das denkbar
und realistisch?
Vertoe:
Ja, das
Masternode-Netzwerk eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, mit denen wir
selber zu Beginn nicht gerechnet hatten. Eine Art Onion-Routing zu
betreiben ist auch tatsächlich geplant, aber das betrifft zunächst
nur den Darkcoin-internen Netzwerk-Traffic. Diese Technologie kann
natürlich aber beliebig erweitert werden. Was Darkcoin fehlt, wie
den meisten Open-Source-Projekten, sind natürlich Entwickler. Wir
arbeiten in unserer Freizeit Überstunden an dem Projekt und werden
dafür nicht bezahlt. Ich muss das an dieser Stelle erwähnen, weil
ich vor kurzem erschreckenderweise feststellen musste, dass die
Nutzer denken, dass wir Geld dafür bekommen. Das ist leider nicht
der Fall. Ich würde gerne meine Job aufgeben, um hauptberuflich in
solchen Projekten zu arbeiten, aber das ist zurzeit nicht machbar.
Fabio Bossi:
Gut, dass Du das
ansprichst. Was können Konsumenten wie ich tun, um das Projekt zu
unterstützen?
Vertoe:
Zunächst empfehle ich
einfach mal die Software
runterzuladen und sich über das Projekt und die Möglichkeiten,
die Darkcoin bietet, zu belesen. Das beste, was wir verlangen können,
ist Feedback für das was wir tun. Sei es Lob, Kritik, Vorschläge
oder ein Bug-Report, das hilft immer weiter. Wer uns finanziell
unterstützen will, kann Spenden an die
Darkcoin
Foundation richten.
Fabio Bossi: