von Thorsten Polleit
Experten und Politiker beklagen derzeit als Ursache der Finanzmarktkrise ineffiziente Regulierungen. Thorsten Polleit von der Barclays Capital hält dies für eine falsche Diagnose: Das Wirtschaftsleben leide vielmehr durch Störungen, die das staatliche Papiergeldsystem verursacht. Im "Wirtschaftsdienst" argumentiert er für eine Privatisierung des Geldes.
Wohl keine Institution stellt die Weichen der gesellschaftlichen Entwicklung so sehr in Richtung auf eine interventionistische, dirigistische oder gar sozialistische Wirtschaftsordnung wie das staatliche Papiergeldsystem. Durch die Störungen, die es im Wirtschaftsleben verursacht, provoziert es eine Wirtschafts- und Finanzmarktkrise nach der anderen. Und nichts dürfte das freie Marktsystem so sehr kompromittieren wie die Serien von Konjunkturaufschwüngen ("Boom") und Konjunkturabschwüngen ("Bust").
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Versagen des staatlichen Geldsystems
Gerade monetär verursachte Finanz- und Konjunkturkrisen, so die Vertreter der Österreichischen Schule, werden meist dem Versagen des Kapitalismus, nicht aber dem Versagen des staatlichen Geldsystems angelastet. Die falsche Diagnose spielt freiheitsfeindlichen Politiken in die Hände: Ein Mehr an Regulierungen, Protektionismus und Verboten setzt die freie Marktordnung zusehends außer Kraft und führt zu Wohlfahrtseinbußen. Weil es der mehrheitliche politische Wunsch ist, das staatliche Papiergeldsystem zu erhalten, bleibt im aktuellen monetären Fiasko wohl nichts anderes übrig, als private Einkommen drastisch umzuverteilen. Solange das zuviel von Kredit und Geld nicht als Ursache des Übels erkannt wird, besteht in der Tat die Gefahr, dass sich die Volkswirtschaften immer mehr im Gestrüpp des Interventionismus und Dirigismus verheddern.
Ein "allgemein verträgliches Weginflationieren" der Schuldenlasten ist, wie vielfach bereits gefordert, im Grund kein gangbarer Weg, zumindest solange nicht, wie die Kreditnehmer "Dauerschuldner" sind. Denn erwarten die Marktakteure steigende Inflation, werden die (Langfrist-)Zinsen ansteigen. Die Schuldner, die ihre fällig werdenden Kredite neu refinanzieren müssen, hätten höhere Zinszahlungen zu leisten - und dies könnte weitere Kreditausfälle auslösen. Inflation hätte folglich das Potenzial, zu einem Zusammenbruch der Geldordnung zu führen.
Ob ein staatlich kontrolliertes Papiergeldsystem also letztlich nachhaltig verlässliches Geld bereitstellen kann, erscheint ungewiss - insbesondere angesichts der aktuellen Kredit- und Finanzmarktkrise, die im Grunde auf einen Kulminationspunkt einer seit Dekaden währenden Ausweitung des Kredit- und Geldmengenangebots hindeuten könnte. Vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt, die Vorzüge des freien Marktgeldes - repräsentiert etwa durch den Goldstandard - aus den Augen zu verlieren, wenn es gilt, die "geeignete" Geldordnung zu identifizieren. So schrieb Ludwig von Mises (1940): "Man hat an der Goldwährung manches auszusetzen gewusst; man hat ihr den Vorwurf gemacht, dass sie nicht vollkommen sei. Doch niemand weiß anzugeben, wie man an Stelle der Goldwährung Vollkommeneres und Besseres setzen könnte. Gewiss, die Goldwährung ist nicht wertstabil. Doch Wertstabilität und Kaufkraftfestigkeit sind Unbegriffe. In einer sich verändernden Welt, das heißt in einer lebenden Welt, kann es keine Festigkeit der Kaufkraft und keine Wertstabilität geben. Dass die Kaufkraft des Geldes schwankt, ist für ein Geld eines nicht starren Systems der Marktbeziehungen notwendig; in einem erstarrten System, das dem Gedankenbild der gleichmäßigen Wirtschaft entspräche, wäre aber für Geld überhaupt kein Raum. Die Goldwährung macht die Gestaltung der Kaufkraft von dem Einfluss der Politik und der schwankenden wirtschaftspolitischen Anschauungen wechselnder Majoritäten unabhängig. Das ist ihr Vorzug."
Privatisierung des Geldes
Das "Free Banking" würde die Weichen in Richtung einer Privatisierung des Geldes stellen. Im ersten Schritt wären dazu die Verbindlichkeiten der Banken in einem festen Umtauschverhältnis an das Gold anzubinden, das noch in den Kellern der Zentralbanken lagert. Gleichzeitig wäre Geldhaltern das Recht einzuräumen, ihre Bankguthaben jederzeit in Gold umtauschen zu können. Im Zuge eines solchen Übergangs ließen sich Inflation und Deflation vermeiden. Die Kreditinstitute wären zahlungsfähig. Bankpleiten würden nicht mehr die volkswirtschaftliche Geldmenge vermindern. Steuerzahler würden nicht in die Pflicht genommen für Verluste aus dem Bankgeschäft.
Im zweiten Schritt könnte das Geldsystem privatisiert, also in ein System des "Free Banking" entlassen werden. Geschäftsbanken könnten wie bisher als Anbieter von Einlagen und Krediten tätig sein. Allerdings würden sie die Geldmenge durch Kreditgewährung nicht mehr verändern. Denn vermutlich würde der Marktstandard für gutes Geld, wie in früheren Epochen auch, ein durch Gold und/oder Silber gedecktes Geld sein ("Bimetallismus"). Zentralbanken würden die Hoheit über die Geldmenge verlieren und vermutlich durch privatwirtschaftlich organisierte Einlagensicherungsfonds ersetzt werden.
Ein solches System verspräche nicht nur "besseres Geld", sondern Konjunkturverläufe würden auch weniger schwankungsanfällig, weil freies Marktgeld Fehlinvestitionen und damit Wirtschaftskrisen entgegenwirkt. Der Spielraum für wachstumsschädliche Marktinterventionen, die regelmäßig aus Wirtschafts- und Finanzkrisen erwachsen, würde zurückgedrängt. Damit würde auch die Bedrohung der Freiheit, die latente Gefahr monetärer Planwirtschaft, entschärft. Freies Marktgeld ist die beste Versicherung gegen die Unbeherrschbarkeit und Willfährigkeit des staatlichen Papiergeldmonopols.
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