Das deutschsprachige Online-Magazin "Readers Edition" widmet im Rahmen einer Serie zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen der Kandidatur von Ron Paul einen differenzierten und wohl-recherchierten Artikel, wie ihn die "großen" (Spiegel, Welt, Faz, SZ etc.) bisher immernoch nicht auf die Reihe gebracht haben. Besonders erfreulich: der Autor stellt sich über die Kommentarfunktion der Kritik und zeigt, was seine "großen" Kollegen vermissen lassen, nämlich professionelle Neugier. Er stellt tatsächlich Fragen, anstatt Vorurteile widerzukäuen.
Hier ist meine Antwort, der gesamte Austausch kann hier verfolgt werden:
Sehr geehrter Herr Stahlke,
vielen Dank für Ihre faire Herangehensweise an das “Phänomen Ron Paul”.
Bitte sehen Sie “uns Paulanern” eine gewisse Gereiztheit nach. Schließlich dürfen wir seit Monaten mit ansehen, wie die deutschsprachigen Medien dieses Thema nahezu vollständig marginalisieren und/oder ridikülisieren. Ich bedauere zutiefst, daß dadurch eminent wichtige Denkanstöße einer breiteren Öffentlichkeit vorenthalten werden.
Ich gehöre persönlich zu denen, die internet-affin sind und ich setze mich nach Kräften für Ron Paul ein - als deutscher Staatsbürger. In einem meiner Youtube-Videos (die Herstellung derselben habe ich mir wegen Ron Paul kürzlich selbst beigebracht) schrieb ich auf die heterogene Gruppe der “Paulaner” gemünzt:
“Wir würden alle nicht tun, was wir tun, wenn unsere Medien einfach ihren Job machen würden”.
Soll heißen: ich habe einen 60-Stunden-Job und eigentlich anderes zu tun, als zu bloggen etc., was ich vor dieser Kampagne auch nicht getan habe. Ron Paul has cured my apathy. Zu Ihrer Frage (danke, daß Sie Fragen stellen! Ich durfte in den letzten Monaten erfahren, daß das für Journalisten entgegen meines bisherigen naiven “Vorurteils” nicht selbstverständlich ist!):
Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, daß meine Wahlstimme in D für mich wertlos geworden ist. Ich kann mit dieser Stimme nicht erreichen, daß die Freiheit geschützt wird. Ich bin machtlos, da es nicht darauf ankommt DASS ich wählen darf, sondern WAS ich wählen darf. Sie beschreiben zutreffend, daß Ron Paul sowohl mit den aktuellen “republikanischen” als auch mit den “demokratischen” Positionen kollidiert. Ron Paul ist der einzige mir bekannte Politiker, der sich ein Gespür dafür bewahrt hat, wie wichtig Freiheit ist, ja der überhaupt versteht, was dieses vielfach mißbrauchte Wort überhaupt bedeutet. Er ist sozusagen die Anti-These zu allen anderen mir bekannten Politikern, speziell in Europa. Ich erhoffe mir von meinem Engagement, daß sich eine Art Außer-Partei-Politischer-Opposition herausbildet und als aktives Mitglied im bunten europäischen Netzwerk der Ron-Paul-Anhänger darf ich sagen, daß meine Hoffnung nicht ganz unbegründet ist. Diese europäische Bewegung ist übrigens ein lebendiges Beispiel für Ron Pauls These, nach der Freiheit vereint und nicht trennt, da es “bei uns” (”wir” sind alle sehr skeptisch bzgl. Kollektivismen, weswegen ich sehr vorsichtig bin, wenn ich nicht nur für mich spreche) nicht darum geht, 51% zu erreichen, um den übrigen 49% mittels gewählter Mittelsmänner unsere Lebensentwürfe diktieren zu können. Genau dazu ist leider unsere “Demokratie” verkommen.Ich will endlich auch einen Politiker wählen können, der die Gefahren des Milit.-Industriellen Komplexes anspricht. Der die amerikanischen Geheimdienste scharf kritisiert, der davor warnt (im TV!!!), daß die USA in einen “sanften Faschismus” abgleiten. Ich will endlich auch einen Politiker wählen können, der die Gefahren unseres Bankensystems versteht und artikuliert. Ich will endlich auch einen Politiker wählen können, der mutig gegen ALLE Partikularinteressen, Lobbies und supra-demokratischen Institutionen vorgeht und dem Individuum, angeblich doch die kleinste Einheit des angeblichen Souveräns “das Volk”, Respekt zollt, anstatt dessen Freiheit in vorgeblicher “Fürsorge” zu ersticken.
Ron Paul steht (explizit! Das ist nicht meine Interpretation!) in der geistigen Tradition von großen und leider vergessenen Denkern der Freiheit wie Frederic Bastiat, Henry David Thoreau, Ludwig von Mises, Martin Luther King und Gandhi, um nur einige zu nennen. Ron Paul vertritt und verkörpert für mich die Ideale, für die freie Menschen seit Jahrunderten gekämpft haben, unter Einsatz ihres Lebens.
Wenn Sie die Entwicklung der netzbasierten spontanen Ordnung verfolgen, die sich unter dem Banner “Ron Paul Revolution” (das LOVE ist kein Zufall) entwickelt, werden Sie interessante Perspektiven für eine im Wortsinne demokratische und freiheitliche Zukunft entdecken können, selbst wenn Sie seine Positionen in Teilen oder vollständig ablehnen.
Und Sie werden vielleicht beginnen sich zu fragen, warum wir ausgerechnet über diese friedliche “Revolution” kaum mehr als Gespött und Verleumdungen zu lesen bekommen und uns stattdessen nur die “üblichen Verdächtigen” von Hillary über Barack, bis zu Rudy und Mitt präsentiert werden.
Hochachtungsvoll
Fabio Bossi
bavaria-for-ron-paul.blogspot.com
Dienstag, 25. Dezember 2007
Ron Paul - Internetphänomen
Eingestellt von Fabio Bossi um 11:22
Labels: Readers Edition
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3 Kommentare:
Ron Paul ist ein spoiler. Er hat keine Wahrscheinlichkeit des Gewinnens.
@serr8d: Mir ist es egal ob Hillary oder Rudy Mc Romney. Die sind alle identisch. Von daher: Wenn Ron Paul wie Ross Perot den Repubs nur die Stimmen klaut: na und?
@Fabio: Super geschriebener Brief!
@all: Frohe Feiertage und alles Gute für 2008!
Ein ausgezeichneter Text, lieber Fabio.
Zum ersten Kommentar möchte ich anfügen: Woher serr8d die Gewissheit nimmt, dass Ron Paul nicht gewinnen kann ist mir ein Rätsel - zumal angesichts der unglaublichen Publizitäts-Erfolge, die er in den letzten Monaten erzielt hat. Im Übrigen hat Ron Paul insofern schon gewonnen als er die politische Diskussion in Amerika grundlegend verändert hat. Wichtige, verschüttete Themen sind durch seine Bewegung in aller Mund; die Erwartungen gegenüber der Politik und Politikern haben sich geändert und stehen mehr und mehr im Zeichen der Freiheit, die breite Schichten in Amerika verstehen und wollen - anders als im staatsgläubigen Untertanenland Deutschland. Ich kenne keinen Amerikaner (und fast keinen Deutschen), der nicht auf Ron Pauls Linie umschwenkt, sobald er die volle Botschaft gehört und verstanden hat.
Das politische Paradigma der Freiheit beginnt sich wieder durchzusetzen, unaufhörlich, nichtzuletzt, weil es die einzige konsequente Antwort auf unser marodes politisches System und die katastrophalen Konsequenzen ist, die sich über Jahrzehnte zu gewaltigen Widersprüchen aufgebaut haben und uns alle, auch materiell, bedrohen.
Wenn Ron Paul die Nominierung erhält, wird er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein. Wenn er nicht nominiert wird: die Freiheitsbewegung wird ihren Siegeszug, erst in Amerika, und bald auch in Europa fortsetzen.
Auch den Deutschen wird es nicht "erspart" bleiben, endlich wieder Realitätssinn zu entwickeln. Die Amerikaner sind auf diesem Weg schon weiter.
Igor Uszczapowski, Kaiserslautern
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