Freitag, 8. Januar 2010

Sloterdijk: Steuerwesen von Zwang auf Freiwilligkeit umstellen

Vorletzte Woche das Interview mit Götz Werner über seine Idee des bedingungslosen Grundeinkommens und Abschaffung aller direkten Steuern; jetzt ein Interview mit Peter Sloterdijk und seiner Forderung, Steuern von Zwang auf Freiwilligkeit umzustellen:
es scheint, als gäbe es doch noch eine deutsche Elite, die bereit ist radikal anders zu denken!

Sloterdijk in der SZ:

"... die Umstellung von Zwang auf Freiwilligkeit stellt in meinen Augen eine der wichtigsten psychopolitischen und moralischen Fragen der Zukunft dar, in Steuerfragen wie in ökologischen Angelegenheiten. Wir leben nicht mehr in absolutistischen Verhältnissen, und Bürger sollen nicht wie Untertanen behandelt werden.

... die Väter des Grundgesetzes nicht einmal den Versuch einer demokratischen Neubegründung von Steuern und Abgaben ins Auge gefasst haben. In diesem Punkt dachten sie in einer staatsabsolutistischen Kontinuität, die in aller Stille aus der Wilhelminischen Ära über die Weimarer Republik und das Dritte Reich hinweg wirkte.

... Wir haben uns in fiskalischen Dingen so sehr an die Zwangsabgabenkultur angepasst, die alt-autoritäre wie die semi-sozialistische, dass über Alternativen nicht einmal mehr nachgedacht wird..."

=> hier geht's zum Interview

12 Kommentare:

zebra hat gesagt…

Gut, beide Impulse hier in einen Zusammenhang gestellt zu sehen. Das Verbindende ist die Raumschaffung für mehr Freiwilligkeit, welche die Voraussetzung zu einer beseelteren Kultur wäre.

Tommy hat gesagt…

Das Gerede von Sloterdijk in seinem SZ- Interview finde ich, ehrlich gesagt, einfach nur zum kotzen. Sorry für die harten Worte, aber lest mal genauer was sich hinter den Worten für ein neoliberales Weltbild zeigt.

Anonym hat gesagt…

@ Tommy

Stimmt. Äußerst neoliberal. Deswegen finde ich das auch so gut.

Tommy hat gesagt…

@Christoph
na dann ist ja alles in Butter für dich. Seit Thatcher und Reagen leben wir schließlich in einer neoliberalen Welt.

Tommy hat gesagt…

Nachtrag:
Neoliberalismus ist sicher auch schwer zu definieren, da gibt es verschiedene Ansichten. Ich zitiere hier mal Dr. Werner Rügemer aus einem Interview zu den wahren Ursachen der Finanzkrise" auf gulli.com

Interviewer: Wie definieren Sie das Wort "Neoliberalismus"?

Dr. Werner Rügemer: Zunächst: Neoliberalismus ist kein analytischer, wissenschaftlicher Begriff, sondern eine Selbstzuschreibung der Akteure. "Liberal" klingt doch eher positiv, irgendwie nett, oder? Mir ist aber bisher kein geeigneter Begriff untergekommen, was auch ein Zeichen dafür ist, dass die kritische wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema seit Jahrzehnten nicht richtig in Gang gekommen ist. Wir sind immer noch in der Defensive, leider. Das möchte ich gerne ändern.

Neoliberalismus ist ein Konzept, das verschiedene ideologische Formen annehmen kann. Auch der italienische Faschismus, der deutsche Nationalsozialismus, die chilenische Diktatur von General Pinochet waren Ausprägungen, genauso wie die Kapitaldemokratie, die von den USA ausgehend heute in der "westlichen Wertegemeinschaft" dominiert.

Der gleich bleibende Kern ist folgender: Die Kapitalseite wird im Extremfall bis zur politischen und wirtschaftlichen Diktatur gestärkt, die Seite der Arbeit wird geschwächt bis zur Ohnmacht, bis zur Betäubung. Dabei übernehmen die Finanzakteure die Führung im Bereich des Privateigentums und erhalten alle Bewegungsfreiheiten, auch solche Freiheiten, die bisherigen staatlichen Regulierungen widersprechen. Dabei halten sich die Finanzakteure nicht unbedingt an die neuen Gesetze, die ihnen so viele Freiheiten verschaffen, sondern übertreten in der Tendenz jedes Gesetz, jedes Menschenrecht und jede zwischenmenschliche Konvention, die ihnen in die Quere kommen.

Fabio Bossi hat gesagt…

@Tommy:

Hi,

wie Rügemer gut beschreibt, ist "neoliberal" ein unbrauchbarer (das sagt er so nicht) Begriff, weil keine Sau weiß, was das heißen soll. Leute wie Rügemer hätten gerne was, mit dem sie Andersdenkende beschimpfen können und "neoliberal" klingt wie "neonazi". Wie orwellhaft es ist, den Faschismus in die Nähe des Liberalismus zu rücken, kann vermutlich nur jemandem auffallen, der irgendeinen blassen Schimmer davon hat, wofür der klassische Liberalismus stand. Ein Herr Rügemer würde sich wahrscheinlich furchtbar darüber empören, wenn jemand sein sozialistisch-etatistisches Weltbild in die Nähe der Nazis rückt. Für mich ist da eine größere Verwandtschaft.
Reagan und Thatcher sind für mich sehr zwiespältige Figuren. Reagan war ein Maulheld und Thatcher vor allem eine Politikerin. Auch sie fand ihren Hayek nur so gut, wie es ihr Machterhalt erlaubt hat.
Wenn "neoliberal" heißen soll, daß es Sozialismus für die Reichen und Kapitalismus für die Armen bedeutet, sind wir hier auch keine Freunde davon. Dafür standen auch Reagan und Thatcher und die ganze amerikanische Bagage um Greenspan, Clintin und Co..
Du meinst, wie würden seit Reagan und Thatcher im "Neoliberalismus" leben? Daran sieht man, wie unbrauchbar der Begriff ist. Korporatistischer Semi-Sozialismus ist nämlich auch eine treffende Zustandsbeschreibung.

Eines unserer "Idole", Ludwig von Mises, wurde von den Nazis und von den Kommunisten verfolgt, und von den Sozialisten und "Neoliberalen" dieser Welt ignoriert.

Was sind wir hier nun?!

Ich nenne mich gerne einen "Kapitalisten". Ich verstehe nur mutmaßlich ganz was anderes darunter als Du und finde das, was Du an dem Begriff zum kotzen findest, ebenfalls scheiße (siehe unsere ganzen Blogeinträge gegen Goldman Sachs). Wat nu?

Fabio Bossi hat gesagt…

PS:

"... Wir haben uns in fiskalischen Dingen so sehr an die Zwangsabgabenkultur angepasst, die alt-autoritäre wie die semi-sozialistische, dass über Alternativen nicht einmal mehr nachgedacht wird..."

Wenn in Deutschland die Untertanenmentalität schon (oder immernoch) so weit ist, daß bei solchen Sätzen gleich wieder "neoliberale" Gefahren gewittert werden, dann Gute Nacht Aufklärung. Wir haben NIX aus dem Dritten Reich gelernt, außer daß Ausländer alle immer nett sind und Deutsche tendenziell suspekt.

Tommy hat gesagt…

@Fabio Bossi
Hi,

Was ist mit dieser Aussage:
...
Man denunziert allzu gern diejenigen, die etwas zu geben haben, indem man behauptet, sie hätten nur zu geben, weil sie vorher gestohlen haben. Der Glaube an die Legitimität des Gegendiebstahls hat den Bankrott des Sozialismus in den dumpferen Bewusstseinsschichten überlebt...

und so weiter.

Welcher "man" denunziert hier den "Leistungsträger" und aus welchen "dumpferen Bewusstseinsschichten" heraus???
Das Steuern erstmal Abgaben für Schulen, Straßen, etc. sind und nix mit Klau- und Gegenklau zu tun haben kommt Ihm wohl nicht in den Sinn. Wie gut das amerikanische Philantrophensystem der Spendenkultur funktioniert, dass er hier so anpreist, kann sich jeder heute dort vor Ort selbst anschauen. Ich will jedenfalls nicht damit tauschen.

Dass er Leistungsträger gleichsetzt mit Steuerzahler bzw. den Spitzensteuerzahler ohne darüber nachzudenken, dass Leistung heute kaum noch mit Einkommen korreliert, ist schon allein ein Armutszeugnis.
Nicht zu den Leistungsträgern gehören demnach folgende unwichtige Berufe, da sie zu wenig unser System "befeuern":
-Krankenpfleger
-Polizisten
-Bauarbeiter
etc.
Folgende edle Berufe "befeuern" also unser System dafür um so mehr:
-Finanzjongleure, Vorstände der Großkonzerne etc.
Von denen wären sicher auch dank üppiger Boni trotz Neiddebatte großzügige Steuerspenden zu erwarten.

dazu passt seine persönliche leidvolle Erfahrung mit Steuern:
....
Mir kommt es hartnäckig so vor, dass ich seit einer Weile dem Gemeinwesen etwas aus meinen Überschüssen abgebe. Im aktuellen System kann ich leider nicht mehr tun, als mir privatissime einzubilden, dies seien Spenden und nicht Bußgelder für ein Leistungsvergehen.
....

Herr S. sollte mit seinen umgedrehten Neiddebatten-Auslässen bei Vorträgen in der Deutschen Bank oder der Wirtschaftswoche bleiben, in der er regelmäßig sein Loblied auf die Globalisierung verkündet. Dass die SZ nicht ein einziges mal kritisch nachfrägt, enttäuscht mich.

p.s.
ich hab hier nicht den Blog angegriffen, sondern die Aussagen von Herrn Sloterdijk. Ich mag Ron Paul, die Amis hätten Ihn zum Präsidenten wählen sollen.

Fabio Bossi hat gesagt…

@Tommy:

Ich glaube nicht, daß S. die Krankenschwester angreift, aber egal. Die Mentalität des "Gegendiebstahls" nehme ich in D jedenfalls schon wahr.
Weißt Du, was Ron Paul zum Gedanken des "Sozialstaates" sagt? Du kannst uns ja gerne kritisieren, ich wundere mich nur, wie Du gleichzeitig Ron Paul gut finden kannst.

Tommy hat gesagt…

@Fabio

Ich weiß nicht, was Ron Paul zum Sozialstaat sagt. Aber im Querschuss-Link weiter oben im Blog ist eine Grafik, die anschaulich das amerikanische Problem mit dem überbordenden Staatsdienst zeigt, nämlich ein dicker Wasserkopf auf einer warenproduzierenden Wirtschaft mit dünnen Ärmchen. So in etwa sehe ich das auch. Ist von Ron Paul´s Meinung sicher nicht weit weg.

Markus hat gesagt…

@Tommy

Kennst du das Schildchen, das Ron Paul auf seinem Schreibtisch stehen hat? Darauf steht: "DON`T STEAL - THE GOVERNMENT HATES COMPETITION". Ich denke das zeigt sehr deutlich, was Ron Paul von Steuern hält ;)

Du vertrittst hier den genau gegenteiligen Standpunkt. Und angesichts der zentralen Bedeutung dieses Themas und eben der Gegensätzlichkeit eurer Standpunkte dazu, kann ich mich über deine Sympathie für Ron Paul ehrlich gesagt auch nur wundern.

Tommy hat gesagt…

@markus
OK, also Ron Paul sagt, Steuern sind Diebstahl? Will er den Staat komplett auflösen? Was soll ihn dann ersetzen? Wer macht dann die Gesetze? Sorgt für Recht und Ordnung? Unterrichtet die Kinder? Privatfirmen??

Oder meint er was ganz anderes?
...confused ;)
Wenn er ein anderes Staatsmodell hat, dass besser ist, prima. Da kenn ich Ihn wohl doch zu wenig.

Ich bin Architekt, und wenn ich eine Baugenehmigung aus den 60er Jahren vergleiche mit den behördlichen Schikanen einer heutigen Baugenehmigung, dann weiss ich was ich am heutigen Staat nicht mag. Trotzdem ist ein gewisses Maß an Steuern grundsätzlich nötig für dieses Staatsmodell.

 
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