Sonntag, 26. Oktober 2008

Filmkritik „Let's make money!“

Hamburg, Abaton, 19.10.2008

10-Euro-Scheine schichten sich zu praktischen Stapeln auf. Sie sind
frisch von der Druckerpresse und müssen noch zugeschnitten werden. Die Kamera kostet den Moment aus. Schicht um Schicht wächst das sichtbare Vermögen, beim Zuschauer bröckelt Scheibe um Scheibe der Glaube, Geld sei Wert. Geld ist Papier.
Der Dokumentarfilmer Wagenhofer zeigt in den darauf folgenden zwei
Stunden die verschiedenen Auswüchse, die unser Finanzsystem
hervorgebracht hat. Er startet bei einem Fonds-Manager für Emerging
Markets, der hervorhebt, dass alleine schon der Begriff Emerging Markets
die Staaten, die vorher Entwicklungsländer geheißen wurden, aufgewertet
habe. Sein Fonds habe seinen Sitz in Singapur, dort würde er kaum bis gar nicht besteuert. Singapur profitiere aber dennoch, weil ja die Angestellten besteuert werden könnten.
Ein österreichischer Industriemagnat beklagt, dass indische Ingenieure inzwischen auch nicht mehr billig seien, der Kanzler von Guernsey oder Jersey bewirbt die Services seines Landes, die im Internationalen Vergleich mit Luxemburg oder der Schweiz mithalten könnten und spanische
Immobilieninvestoren loben die rasanten Wertsteigerungen ihrer leerstehenden Objekte.
Was in den vergangenen Jahren zum guten neo-liberalen Ton gehörte, offenbart angesichts der Finanzkrise den Verlust an Moral und Verantwortungsbewusstsein, der mit der Monetarisierung des Lebens einherging. Jeder weitere Kommentar eines Sprechers ist überflüssig.
Die Werbewände für den Millionaire's Club und die Deutsche Bank bilden den Hintergrund für Kinder, die im indischen Chennai (Madras) in Armut leben. Die strahlenden Goldbarren, die in der Schweiz palettenweise mit Gabelstaplern transportiert werden, kommen aus dem ghanaischen Tagebau bei dem Raubbau an der Natur betrieben wird. Schließlich zerhacken
indische Kinder mit einfachsten Werkzeugen Steine zu Kieseln in einem indischen Steinbruch in der verzweifelten Suche nach einer Einkommensquelle.
"Let's make money" ist ein sehr sehenswerter moralischer Film, der das
Bewusstsein für Geld verändern wird. Er zeigt sehr deutlich die menschlichen Abgründe, derjenigen, die das Geld arbeiten lassen, und das Elend, derer, die für das Geld ausgebeutet werden.
Ein Höhepunkt des Films ist ein Interview mit einem Kronzeugen, der für
die USA geheime Absprachen mit dem saudischen Königshaus zur Deckung des
Dollars mit Öl im Gegenzug für die militärische Sicherung ihres Einflusses aushandelte. Er beschreibt auch, warum die Kriege gegen den Irak notwendig wurden, und welchen Einfluss der Einfluss und die Stabilität der Währungen dabei hatten.
Weiterhin beeindruckend ist auch, wie der Wirtschaftsminister von Burkina Faso beklagt, dass die Organisationen der westlichen Welt den freien Zugang zum heimischen Baumwollemarkt verlangten, die US-Bauern aber mit Millionen unterstützten und damit den Marktpreis drücken.
Das Verständnis von Fairness wird völlig auf den Kopf gestellt.
Bei den Lösungsansätzen bleibt der Film leider etwas vage. Der alternative Nobelpreisträger und Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer drängt auf die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Um eine Änderung des System zu bewirken sei außerdem eine sehr starke
Bürgerbewegung erforderlich. Konkretere Vorschläge gibt es allerdings nicht.
Hier hätte Wagenhofer sicherlich noch etwas ausholen können und neben
den moralischen Verwerfungen auch die systemischen Probleme des Geldsystems aufdecken können. Beim Titel "Let's make money" hätte auch eine Darstellung und Kritik des Fiat-Money Systems inhaltlich gepasst.
Kein Wort von Mindestreserve oder Fractional Reserve Banking, keine
Diskussion des Zinses und des Wachstumzwangs. Anhänger eines Freigeldes
oder einer gedeckten Währung (z.B. Gold) hätten im Film zu Wort kommen
können.
Diese heiklen Themen spart der Film jedoch aus, schließt dann aber mit
der Moritate von Mackie Messer aus Brecht's Dreigroschenoper:

"Denn die einen sind im Dunkeln,
Und die anderen sind im Licht,
Und man siehet, die im Lichte,
Die im Dunkeln sieht man nicht
."

Ab 30.10. im Kino, wirklich sehenswert!

Trailer
http://uk.youtube.com/watch?v=6E6M3Wsyhro

Offizielle Seite:
http://www.lets-make-money.info/

Volker Berhout, Hamburg

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Du (?) sagst es im letzten Abschnitt doch selber, dass der Film keine Kritik am Fiat Money System darstellt. Vermutlich wird das Papiergeld in den Film als Eigenschaft des Kapitalismus dargestellt.
Ausschnitte aus dem Trailer bestätigen zudem, dass der Film ganz gewiss NICHT für die Freiheit wirbt.

Sicherlich kann man anhand von Aussagen wie "Wenn der Westen seine Baumwollsubventionen nicht stoppt" seine liberale Auffassung bestätigen lassen.
Natürlich will der Regisseur so weit wie möglich einen dokumentaren Anspruch erheben, indem er viele Personen interviewt und Aspekte beleuchtet, aber ich vermute er streut überwiegend den antikapitalistischen Klamauk hinein und der Film wird lediglich eine Scheindokumentation, ein politisch "meinungsbildender" Schnellschuss Michael Moorscher Art, die das Klientel in ihren Auffassungen nochmals "objektiv" bestätigen lassen.

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"Alle Liberalen der Welt sind der Meinung, dass Grenzen offen sein müssen"
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wird in einem schlechten Licht dargestellt, Friedrich Hayek wird als Neoliberaler dämonisiert und ein Mitglied der Hayek Gesellschaft als jemand, der diesen schrecklichen Kurs sogar befürwortet und das nicht ganz abschaffen will.

Auch lustig:
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"Wo bleibt der ganze Gewinn?"
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Ja genau, wo bleibt er denn? Jeder weiß doch, dass man als vernünftiger demokratischer Sozialist Anspruch auf den Gewinn anderer hat!

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"Man schätzt, dass derzeit 11,5 Trillionen Dollar an Privatvermögen (Anm. v. mir: Privat, wie schlimm) in Steuerparadiesen gehalten wird."
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Dieser Satz wird mit düsteren Bildern unterlegt, wie ein Mann mit den Besen in einem Kerker (?) Geld zusammenkehrt (also unmöglich, das Geld könnte "Bedürftige" viel besser gebrauchen als das es auf dem Boden liegt) und von Aasgeiern, welche auf einer Mauer mit Maschendraht hocken.
Wen oder was sollen die Aasgeier metaphorisch darstellen? Die bösen geldgierigen kapitalistischen Heuschrecken oder (wie ich es sehen würde) die Staatschefs, welche das Geld wieder zurück picken wollen und dafür die gesetzl. Mauern des Rechtsstaates übertreten.

by the way Mauern: Also so "dreckig" wie in diesem Trailer Steuerparadiese visualisiert werden, dazu gehört schon ein hoher Grad an Realitätsverweigerung. Man erinnere sich nur an die ganzen paradiesischen Inseln wie Bermudas, Virgin Islands, Bahamas und Cayman Islands. Ihr glaubt es nicht? Einfach mal "Steuroase" in eine Bildersuchmaschine eintippen, die Bilder stehen Reisekatalogen im Nichts nach. Wenn ich "Sozialismus" eintippe dann kommen schon eher solche Mauern mit Maschendraht.
Interessant auch, wie der offizielle Ron Paul Blog (CFL) zu "Tax Havens" Stellung bezieht. Nämlich die gleiche Stellung des CATO Instituts: Steueroasen sind moralisch gut und fördern Steuersenkungen in Industrieländern.

http://campaignforliberty.com/blog.php?view=2611

Die Stellung, die der Regisseur zu Gold bezieht (was im Trailer ist reicht aus) ist genau das, was ihr (Fabio und Christoph) schon entlarvt habt. Nämlich, dass die Mainstreammedien das wahre kapit. Geld (Gold) im schlechten Licht rücken, indem sie die Zustände auf Afrikas Minenfelder zeigen oder die daraus resultierenden Umweltvergiftungen. Jeder, der lieber seine Werte in Gold steckt und dem Papiergeld nicht vertraut (kein Wunder bei der Inflation) ist also ein Sklaventreiber. Im Film werden die Tresoren der Schweiz gezeigt, die Gold bunkern und parallel dazu die Minenfeldern! Dümmer gehts nimmer!

http://bavaria-for-ron-paul.blogspot.com/search?q=gold+propaganda

Aber am besten ihr und eure Leser werdet selbst aktiv! Euer gemeinsames Aktionsbündnis mit MLPD, den Linken, den Grünen und der Piratenpartei hat ja tollste Wirkungen erzielen können. Ja, sogar ein Ron Paul Banner wurde in die Luft gehalten! Glückwunsch! Keiner dort auf der Demo wusste wer Ron Paul ist. Zum googlen zu doof. Da wird sich der eine oder andere Genosse gedacht haben: "Hmm, wer isn das? War das mal ein Freund vom Che oder ist das der Vater von Naomi Klein?"

Zum einen seid ihr extrem paranoid/ pessimistisch und warnt in Infokrieger-Manier vor der NWO und zum anderen total fahrlässig und zu euphemistisch, indem ihr euch mit Kommunisten einlässt.
Ich schlage vor, dass ihr euer Aktionsbündnis erweitert!
Schaut mal auf die offizielle Seite des Films nach:
http://letsmakemoney.de/infobereich/selbst-aktiv-werden

Da findet man so großartige NGOs wie Attac und Fair Trade. Da wirbt die Attac mit

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Let's regulate!
Finanzmärkte regulieren! - Steueroasen schliessen!
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Sinnvoll. Was sind Oasen ohne die umgebenden Wüsten? Anstatt die Oasen auszuweiten, lass uns lieber alles trocken leben. Das Motto der Globalisierungsgegner. Alle gleich, alles gleich schlecht!
Tja, man muss halt auch Opfer bringen in den gemeinsamen Widerstand. Falls ihr eure gemeinsamen Ziele erreicht habt, dann wünsche ich euch viel Spaß die Internationale von euren Vorstellungen zu überzeugen, wie euer Kampf weitergeführt werden muss.

Übrig bleibt ein absurdes Gebilde, welche sogar schon viele Anhänger hat. Die Organisation gibt es wirklich!!!!!!
"Libertarian National Socialist Green Party"
http://www.nazi.org/

Da seid ihr gut aufgehoben!

Anonym hat gesagt…

Der Film ist kein Lehrfilm für Austrian Econonomics. Aus dieser Sicht betrachtet trifft viel deiner Kritik zu. Das ist aber nicht sein Anspruch. Der Film stellt die moralisch - ethischen Themen in den Vordergund.

Ich halte ihn trotzdem für sehenswert, weil er den persönlichen Bezug zu Geld ändert. Die Szene mit der Druckerpresse, das Verständnis dafür, wie eine Immobilienblase an der Costa del Sol aussieht und welche Bedeutung Währungen in der Außenpolitik haben, habe ich bisher noch in keinem Kino in dieser Deutlichkeit gesehen.

Fabio Bossi hat gesagt…

Hi Milfweed,

gaaaaanz ruhig - "nazi.org" ist nicht so unser Ding.
Volker hat den Artikel so geschrieben und ich kann - ohne den Film gesehen zu haben - folgen, was er meint. Die Schwachpunkte hat er ja angesprochen. Wenn ein "Linker" ein gieriges Arschloch brandmarkt, dann ist das nicht deswegen falsch, weil es von einem "Linken" kommt.
Für mich sind diese Typen Pseudokapitalisten. Fiat-Money-Bail-me-Out-Kapitalisten. Ich kann gut verstehen, daß "Linke" diese Figuren nicht ausstehen können. Ich war selber ´mal Linker und konnte damals auch noch nicht differenzieren. Daß ihre Rezepte inakzeptabel sind, heißt nicht, daß jede von Ihnen geäußerte Kritik falsch ist, im Gegenteil.
Daß was ich an "den Linken" am meisten schätze und mir persönlich bewahren möchte, ist ihre Fähigkeit sich zu empören, wenn Unrecht geschieht.
Mir ist zB "We feed the World" auch nahe gegangen. Ich werde mir diesen Film ganz sicher auch ansehen.
Aber wir werden deswegen sicher nicht zu Kommunisten, keine Sorge.

Viele Grüße

Fabio

PS:
Was muß eigentlich noch alles passieren, damit Du Dir mal Sorgen um die NWO machst? Mußt Du erst die Globo-Geldscheine in der Hand halten?

Fabio Bossi hat gesagt…

PS:

Danke jedenfalls für die treffenden Kritikpunkte.
Wir posten gerne eine Gegen-Filmkritik, wenn Du Lust hast.

Anonym hat gesagt…

Die Erwartung, daß ein Film nicht dem eigenen Weltbild entspricht, sollte einen natürlich nicht davon abhalten ihn sehenswert zu finden.
Was die aufklärerische Wirkung auf den Durchschnittszuschauer angeht, teile ich jedoch Milfweeds Skepsis. Der stramme Medienmarsch in Richtung noch mehr Staat und die alltägliche Kantinenerfahrung machen mir jedenfalls in der Hinsicht nicht viel Hoffnung.
Umso wichtiger, daß die Verfechter der Freiheit bei so einer Gelegenheit auch gegen die Verwässerung der Ursachen antreten. Eine weitere Filmkritik aus explizit freiheitlicher Sicht fände ich jedenfalls auch sehr spannend. Eben *weil* es um Ethik und Moral geht.

Anonym hat gesagt…

--Fabio----
Was muß eigentlich noch alles passieren, damit Du Dir mal Sorgen um die NWO machst? Mußt Du erst die Globo-Geldscheine in der Hand halten?
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Ich streite nicht ab, dass die Welt nicht nur wirtschaftlich, sondern leider auch staatlich und politisch zusammenwächst. Da wo Wirtschaft ist, da parasitiert auch Politik. Früher nur national und heute immer mehr international. Daran hat aber, wie auch häufiger in diesem Blog behauptet, keine "Geheimregierung", keine Bilderberger, keine Neocons oder was weiß ich Schuld.
Dieser Umstand wird von der Bevölkerung nicht abgelehnt, sondern mitgetragen und befürwortet. Außerdem sehe ich Tendenzen, die diesen Vorgang auch wieder rückgängig machen könnten. Es wird in weiteren Wirtschaftskrisen zu mehr Protektionismus und Abschottung kommen.
Es ist wie mit der Wirtschaft. Die Politik interveniert und bildet Extreme und der Markt besinnt sich dann in diesem Fall schmerzhaft auf das Ausgangsniveau. Gleiches wird m.E. auch mit Konstrukten wie der EU passieren.
Zurück zum Film. Der Film transportiert keinen Liberalismus und wenn doch, dann wird dies vom Publikum eh nicht erkannt. Da sind wir uns ja alle einig. Nur dumm, dass dieser Film genau darauf abzielt, wovor ihr warnt. Einer NWO. Da wird mit der Einstampfung von souveränen Staaten als Heilmittel geworben und Attac dient der Film bestimmt hervorragend Werbung für neue Mitglieder. Gold (Geld) wird negativ dargestellt und somit der Kapitalismus.
Ich werde mir diesen Film ansehen und hoffen, dass ich falsch liege. Der Trailer macht aber keine guten Hoffnungen, die Internetseite schon gar nicht.

--Volker---
wie eine Immobilienblase an der Costa del Sol ...
--Volker--

War es wegen den "gierigen Kapitalisten" oder wegen der "Sozialpolitik" (ja kein Arbeitsplatzabbau) und dem Fiat Money? Ich bin schon einmal sehr gespannt, was uns der Regisseur hier als Ursache vermittelt.

 
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