Montag, 14. Dezember 2009

Niall Ferguson und Münchens Madame Madoff

Niall Ferguson, Rothschild-Biograph und Bilderberger (Athen 2009) spricht im verlinkten Interview über die Lage der Weltwirtschaft. Es taucht sogar der Begriff "New World Order" auf. Das gehört inzwischen offenbar zum guten Ton der "Vordenker".



Weil er die aktuelle Lage mit dem Jahr 1873 vergleicht, habe ich die Zahl einfach mal bei Wikipedia eingegeben und bin auf diese amüsante (weil lang zurückliegende...) Geschichte gestoßen, von der ich als Wahlmünchner nie gehört hatte:

Die Geschichte der Adele Spitzeder:



Die Spitzeder'sche Privatbank
Völlig mittellos versprach sie einem Zimmermann 10 Prozent Zinsen im Monat für 100 Gulden und zahlte ihm die ersten beiden Monatszinse sofort aus. Dies sprach sich schnell herum und bald kamen weitere Bürger, die ihr Geld zu diesen Konditionen anlegen wollten. 1869 gründete sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Emilie Stier in der Münchner Dachauer Straße eine Bank. Die Zinsen zahlte sie weiterhin bar aus, was damals nicht üblich war und ihrem Unternehmen einige Mundpropaganda bescherte.

Die „Spitzeder'sche Privatbank“ wurde innerhalb kürzester Zeit vom Geheimtipp aus Insiderkreisen zum Großunternehmen. Spitzeder zog aus einem einfachen Hotel in ein prachtvolles Gebäude in der Schönfeldstraße 9 in München um und hatte bald 40 Angestellte. Ihr Geschäftsgebaren und ihre Buchführung waren nicht nur unkonventionell, sondern regelrecht chaotisch. Das Geld wurde säckeweise in der Wohnung gestapelt und teils im Tresor eines Friseurs verwahrt. Angestellte, alle ohne kaufmännische Ausbildung, bedienten sich regelmäßig an den Geldern und die Finanzbuchführung beschränkte sich auf ein Quittungsbuch, in dem vermerkt wurde, wer wie viel eingezahlt hatte. Eine systematische kaufmännische Verwaltung der von ihr vereinnahmten Fremdgelder fand nicht statt; das Spitzeder`sche Grundkonzept war ein Schneeballsystem.

Spitzeder wusste um die Vorteile einer guten medialen Präsentation; sie bestach mehrere Redakteure mit bis zu fünfstelligen Guldenbeträgen für ein positives mediales Feedback (Rating). Zeitweise unterhielt sie sogar eine eigene Zeitung. Kreditvermittlern zahlte sie Provisionen in Höhe von 5 - 7 % der jeweils ausgereichten Darlehenssumme. Mit großzügigen Spenden und manchmal resolutem, manchmal fromm wirkenden Auftreten verschaffte sie sich Vertrauen und den Ruf als Wohltäterin. So eröffnete Spitzeder etwa die Volksküche im Orlandohaus am Platzl.

Aufgrund der meist bäuerlichen und Kundschaft aus dem nördlichen Umland Münchens wurde ihre Einrichtung bald „Dachauer Bank“ genannt. Bauern verkauften ihre Höfe, weil sie glaubten, von den Zinsen leben zu können. Spitzeder erweiterte ihre Geschäfte und kaufte und verkaufte diverse Häuser und Grundstücke in ganz Bayern.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bleibt festzustellen, dass es gar nicht "Ponzi-Scheme" sondern "Spitzeder-Schema" heissen müsste.

Immerhin war unsere Adele schon ein halbes Jahrhundert VOR Charles Ponzi so clever.

Fachliteratur bitte umschreiben!

Stergios hat gesagt…

Nette Geschichte :o)
aber ich glaube er meint

Panic of 1873
The Panic of 1873 was the start of the Long Depression, a severe nationwide economic depression in the United States that lasted until 1879.....

http://en.wikipedia.org/wiki/Panic_of_1873

MfG
Stergios

Fabio Bossi hat gesagt…

@Stergios:

Ja, schon klar. Die Anekdote zeigt auch nur ein Mosaiksteinchen des gesellschaftlichen Umfeldes.

 
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