Montag, 14. September 2009

Wenigen gehören die meisten Aktien

Bei vielen großen börsengehandelten Aktiengesellschaften wird nach Außen ein hoher sog. "Streubesitz" kommuniziert.

Ein paar prominente deutsche Beispiele: der Industriekonzern Siemens weist einen Streubesitz von 83% aus. Der Energiekonzern E.ON kommt auf 86% und der Automobilhersteller Daimler auf 78% Streubesitz.

Das Wort "Streubesitz" signalisiert, dass diese Aktien dem freien Börsenhandel zur Verfügung stehen und nicht von Großaktionären gehalten werden.

Der unbedarfte Medienkonsument wird daraus im Umkehrschluss folgern, dass Aktien im Streubesitz von Kleinaktionären wie ihm selber gehalten werden und das Aktienvermögen daher einigermassen breit in der Bevölkerung verteilt ist.

Dieser Eindruck wird so teilweise sogar von den Medien erweckt. So findet sich in einem Börsenlexikon folgende Erklärung:

"Der Streubesitz hingegen beschreibt die Anteile am Aktienkapital, die den Besitzer oft wechseln oder die von vielen verschiedenen Personen gehalten werden - Kleinanleger beispielsweise, die die Aktien zwecks Erfolgsaussichten halten und nicht, um das Unternehmen irgendwann übernehmen zu wollen."

Nichts könnte falscher sein!

Die aktuelle Studie "Backbone of complex networks of corporations: The flow of control" der Wissenschaftler James Batrumieu Glattfelder und Dr. Stefano Battiston von der ETH Zürich kommt zu dem Schluß, daß die meisten großen Aktiengesellschaften der Welt nur wenigen Eigentümern gehören.

Wie kann das sein?

Nun: betrachtet man nur die unterste Ebene (z.B. Siemens) so sieht man großen Streubesitz und daher relativ viele Eigentümer. Jedoch haben nur wenige dieser vielen Eigentümer einen Aktienanteil von zum Beispiel zwei, drei oder vier Prozent. Der Rest des Streubesitzes verteilt sich auf hunderttausende Anleger mit jeweils 0,000001% Aktienbesitz.

Geht man jedoch - wie die Autoren der besagten Studie - eine Ebene höher und untersucht den Streubesitz aller großen Unternehmen, so stellt man fest, dass es immer wieder diesselben (!) Eigentümer sind, die zwei, drei oder vier Prozent Aktienanteil halten.

Daraus folgt, dass die Unternehmen dieser Welt nur von einer Hand voll Eigentümer besessen und kontrolliert werden.

Hier die Essenz der Studie im Wortlaut:

"The statement that the control of corporations is dispersed among many shareholders invokes the intuition that there exists a multitude of owners that only hold a small amount of shares in a few companies.
However, in contrast to such intuition, our main finding is that a local dispersion of control is associated with a global concentration of control and value.
This means that only a small elite of shareholders controls a large fraction of the stock market, without ever having been previously systematically reported on."

Der ausgewiesene Streubesitzanteil verschleiert also die tatsächliche Eigentümerstruktur eher als dass er sie offenbart.

Hier die zehn am häufigsten vorkommenden Anteilseigner:

Capital Group
Fidelity Investments
Barclays
Franklin Resources
AXA
J.P. Morgan
Dimensional Fund Advisors
Merrill Lynch (eine Tochter der Bank of America)
Wellington Management
UBS

Diese Anlagefirmen verfügen mittels ihrer Stimmrechte über konzentrierte Kontrollmöglichkeiten an den weltweiten Aktienmärkten. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Eigentümerstruktur der von diesen Firmen verwalteten Vermögen alles andere als durchsichtig ist, so stellt sich die Frage nach oligarchen Einflussmöglichkeiten.

Die Autoren der Studie lenken somit erstmals den Blick auf einen bisher unbeleuchteten Aspekt der Kapitalmärkte.

2 Kommentare:

Daniel hat gesagt…

Das sagt doch im wesentliche nur, daß viele Aktien von Brokerfirmen und Fonds gehalten werden. Da hält sich meine Überraschung in Grenzen ...

Anonym hat gesagt…

In der Tat ist Deine Erklärung auf den ersten Blick die Einleuchtendste (und würde von den angesprochenen Firmen wohl auch genauso genannt werden).

Allerdings ist die Eigentümerstruktur der von diesen Firmen verwalteten Vermögen alles andere als durchsichtig.

Man kann also nur hoffen, dass sich hinter diesen Vehikeln ausschliesslich ein paar Millionen kleine Anleger verbergen.

Allerdings: Wenn ich riesige Vermögen verschleiert anlegen und verwalten wollte, würde ich mich genau solcher "Durchlauferhitzer" bedienen. Das ist aber natürlich vollkommen VT!

 
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